Bookster. Die Porträtreihe.

Mag ja sein, dass in Frankfurt die Verlage früher zahlreicher, die Autoren schillernder und die Buchmessenpartys ausschweifender waren. Nichtsdestotrotz ist Frankfurt nach wie vor eine Buchstadt – und damit eine Stadt der Bookster. Leute, die Bücher schreiben, lektorieren, übersetzen, herstellen, verlegen, vertreiben, verkaufen, vor- und zur Diskussion stellen, empfehlen, auszeichnen, archivieren und vieles mehr. Wer sind diese Menschen, was machen, wollen und denken sie – just an der historischen Kante zwischen der Krise des Buches und seiner noch offenen Zukunft? Im Online-Magazin bookster-frankfurt.de werden in unregelmäßigen Abständen neue Bookster aus Frankfurt und der Region vorgestellt. So entsteht ein vielschichtiges Bild der Szene, der Branche und der Menschen, die Frankfurt zur Buchstadt machen. Insofern: Lesen, verbreiten, dranbleiben und Feedback geben.

Zum Online-Magazin gibt es auch ein Buch: "Bookster Frankfurt. Interviews und Porträts aus der Hauptstadt des Buches" // ISBN 978-3-943758-80-1 // 44 Porträts und Interviews / ca. 90 Schwarzweiß-Abbildungen / zweifarbig geprägter Leinenumschlag, Fadenheftung, goldfarbenem Lesebändchen und Kapitalband, Druck mit Sonderfarbe // 22 Euro (oder gleich hier bestellen)


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Wer macht Bookster möglich?

Das Projekt Bookster wurde von der Agentur Schwarzburg initiiert und wird bis heute von ihr koordiniert sowie redaktionell verantwortet. Getragen wird es allerdings von vielen Schultern. Die Website musste programmiert und gestaltet werden, die Interviews müssen geführt, die Porträts geschrieben und Korrektur gelesen werden. Und dann müssen natürlich auch alle Bookster noch fotografiert werden. Im einzelnen arbeiten für dieses Non-Profit-Projekt:


Fotos

Stephan Jockel ist im Hauptberuf Pressesprecher der Deutschen Nationalbibliothek. Er fotografiert unter anderem für Magazine, Online-Medien und sonstige Publikationen der Bibliothek.
www.abendglanz.de | stephan@abendglanz.de


Autoren

Christian Sälzer hat mit seinem Zazie Verlag selbst schon schöne Bücher gemacht – darunter „Frankfurter Küchen“. Zurzeit arbeitet der Journalist aber im Wesentlichen als Mitgesellschafter der Agentur Schwarzburg – und als Redakteur und Vielschreiber für Bookster.
(Ahrnes, Bühler, Djafari, Doeller, Drügh, Homilius, Kaiser, Kochendörfer, Maxeiner, Plastargias, Polonskaja​, Roloff, Rosenfeld, Schneider, Schwens, Vandenrath)

Martin Schmitz-Kuhl ist Journalist, Medienentwickler und Mitgesellschafter der Agentur Schwarzburg. Er mag es, Magazine zu machen. Aber noch mehr mag er, eigene Bücher zu machen – egal ob für Kinder (z.B. "Alle Kinder") oder für Erwachsene. (z.B. "Books & Bookster").
(Boos, Hesse, Klingelhöfer, Knorr, Krings, Neuhaus, Niekisch, Ordelmans, Ortner, Schmidts, Schöffling, Scobel, Skipis, Schild, Werner)

Ulrich Erler ist PR-Berater und Journalist – sowie Bookster-Redakteur. Die literarische Welt öffnete ihm Donald Duck. Und selbst der Deutschunterricht der 1970er-Jahre konnte ihn nicht davon abhalten, weiter in die Materie einzusteigen.
(Hückstädt, Hundsdörfer, Jurjew, Karsten, Kolb-Klausch, Mentzer, Pope, Schindler, Schutzbach, Stephan, Tröger, Wittrock)

Christina Mohr arbeitet hauptberuflich beim Campus Verlag und schreibt nach Feierabend Musik- und Literaturrezensionen für verschiedene Magazine wie SPEX, Missy Magazine und CULTurMAG – sowie zahlreiche Porträts für Bookster.
(Bánk, Buechs, Callies, Hartwig, Jacoby, Noack, von Lovenberg)

Silke Hartmann ist eine Perle. Eine Kulturperle. Unter diesem Namen kuratiert und organisiert sie Veranstaltungen im Bereich Literatur und (Pop-)Kultur. Außerdem ist sie Mitbegründerin des Vereins Raum 121 und von text&beat@orangepeel.
(Genazino, Hennig von Lange, Hülstrunk, Lueken, Schaedel & Müller, Wilkesmann, Witzel)

Isabella Caldart hat Literaturwissenschaft studiert. Was jetzt kommt? Mal schauen. Im Moment schreibt sie immer mal wieder für das Journal Frankfurt und bloggt auf Hibb ’n‘ Dribb und Literarisches Frankfurt.
(Jager, Kirsten, Koch, Santa Cruz, Schneider, Simader)

Jakob Hoffmann arbeitet als Bildungsreferent in einem Jugendverband. Daneben ist er freier Kurator, Moderator und Organisator diverser Projekte, Veranstaltungen und/oder Ausstellungen – unter anderem für Raum 121, text&beat und Atelier Goldstein.
(Helbig, Linhart, Weber)

Ramona Lenz arbeitet in Frankfurt bei der Menschenrechts- und Hilfsorganisation medico international und schreibt regelmäßig Buchrezensionen, unter anderem für die F.A.Z. 
(Altenburg, Dolle-Weinkauff, Spreckelsen)

Nina Schellhase ist Journalistin, Texterin und Sängerin aus Frankfurt – seit einem Schüleraustausch nach Lissabon hat die studierte Romanistin eine herzliche Verbindung mit der portugiesischen Sprache.
(Noack)

Ida Todisco schreibt als Autorin vorwiegend Kurzgeschichten. Außerdem hat sie zwei Bücher aus und über Offenbach verfasst: „Offenbach: Liebe auf den zweiten Blick“ (2011) und  „Offenbacher Nachtstücke: Geschichten zwischen Abend und Morgen“.
(Michels)

Katja Gußmann hat einst über brasilianische Großstadtliteratur dissertiert. Heute arbeitet sie als freie Journalistin unter anderem für die Porträtserie „Der rote Faden“ in der FNP. Auch ihr Bookster-Text stammt aus dieser Serie, in einer gekürzten und überarbeiteten Fassung.
(Kuhl)

Jens Holst hat Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen studiert und als Journalist lange über das Kulturleben am Main geschrieben. Heute arbeitet er als Redakteur für den Deutschen Fachverlag in Frankfurt.
(Roth)

Martina Metzner schreibt eigentlich eher über Mode und Design. Für Bookster porträtierte sie aber ihre Lieblingsbuchhändlerin.
(Steinkopf)


Korrektur

Silke Weidner hat Literaturwissenschaft studiert, in Kinderbuchverlagen gearbeitet und leitet ehrenamtlich eine kleine, aber feine öffentliche Bibliothek in Frankfurt.
sweidner.projekt@gmx.net


Grafik

Mareike Benrath arbeitet als Kommunikationsdesignerin, Illustratorin und Verpackungsdesignerin. Ihr Interesse gilt allen sichtbaren Medien, ob online oder gedruckt.
info@mareikebenrath.de


Technische Umsetzung

Alex Zierlinger hat schon Internet-Seiten gemacht, als Jahreszahlen noch zweistellig gespeichert wurden. Heute macht er das immer noch – das mit den Internet-Seiten, nicht das mit den Jahreszahlen.
www.zi-co.de | alex.zierlinger@zi-co.de

Wer ist für Bookster verantwortlich?

Bookster ist ein Projekt der Agentur Schwarzburg mit Sitz im Frankfurter Nordend. Die Gesellschafter Christian Sälzer und Martin Schmitz-Kuhl sind auf Corporate Publishing spezialisiert. Neben dem Agenturgeschäft nehmen sie sich Zeit und Raum für freie Projekte. So haben sie auch schon das NORDend-Magazin herausgegeben – genau wie bookster-frankfurt.de ein Non-Profit-Projekt. Auf Bookster kamen sie aus Leidenschaft fürs Buch, Interesse an Menschen und ihren Geschichten – und weil sie zwar an Print glauben, aber auch die Vorzüge von Online zu schätzen wissen.

Agentur Schwarzburg
Vogelsberstr. 24a
60316 Frankfurt am Main


www.agentur-schwarzburg.de | info@agentur-schwarzburg.de


„Entschleunigt durch die natürliche Langsamkeit“
Im nahe gelegenen Grüneburgpark verbringt Genazino seine Mittagspausen.
Nordic Walker nennt er „Freizeitsoldaten“.
„Den Flaneur gibt es nicht mehr.“
Es sind die kleinen Dinge und die alltäglichen Begebenheiten, die Genazino beobacht.

Wilhelm Genazino, Schriftsteller

Gesamtmerkwürdigkeit des Lebens

Der Apokalypse-Spezialist, der Probeläufer für Luxusschuhe, der Ekelreferent, der Panikberater und nun der Überwinder – sie alle stammen aus der Feder des preisgekrönten Frankfurter Autors Wilhelm Genazino.

Zögerliche Helden sind sie, versonnene Einzelgänger, zumeist irritiert über den Verlauf ihres mittelmäßigen Lebens, immer verstrickt in eine mittelmäßige Beziehung: die Figuren aus den Romanen von Wilhelm Genazino, einem der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Deutschlands, ausgezeichnet mit dem Georg-Büchner-Preis und jüngst mit der Goetheplakette der Stadt Frankfurt geehrt.

In Mannheim geboren, verschlug es den Schriftsteller früh zum Studium (Philosophie, Germanistik und Soziologie) und als Redakteur des Satiremagazins „Pardon“ nach Frankfurt. Und dort ist er, mit einem kurzen Gastspiel in Heidelberg, bis heute geblieben. Er mag die Stadt, sie fasziniert ihn städtebaulich durch ihr Mittelmaß: Eine „Halbgroßstadt mit steckengebliebener Kleinstadt“ nennt er Frankfurt.

Wir treffen uns im Westend, wo Wilhelm Genazino nach Stationen in Sachsenhausen und dem Nordend mittlerweile wohnt, im Café Siesmeyer, nahe dem Grüneburgpark. Dort verbringt er spazierend so manche seiner Mittagspausen, denn da passiert viel, da gibt es viel zu entdecken und gleich wieder etwas zu schreiben. Wie auf dem Flohmarkt in Sachsenhausen, in der Kleinmarkthalle oder einem Knopfgeschäft in der Töngesgasse. Es sind die kleinen Dinge und die alltäglichen Begebenheiten, die Genazino beobachtet und uns in seinen Büchern mitentdecken lässt. Das Individuum im Spätkapitalismus ist sein Thema, und so fährt er beispielweise auch gern nach Eschborn und beobachtet die Menschen in ihren Büros.

Das durch die Stadt Spazieren und dabei etwas entdecken und darüber schreiben ist zu seinem Markenzeichen geworden und hat ihm das Etikett des Frankfurter Flaneurs verpasst. Eine Zuschreibung, die ihm nicht gefällt: „Werde ich das denn nie wieder los?“, fragt er und stellt fest: „Den Flaneur gibt es nicht mehr.“ Der Flaneur als ein sich Gedanken machender Spaziergänger – literarisch ersonnen und erschrieben von Charles Baudelaire und Walter Benjamin – ist eine überkommene Figur, denn, so Genazino: „Der Flaneur braucht leeren Raum, in unseren heutigen Gegenden herrscht zu viel Betrieb, zu viel Warenaufkommen.“

Überhaupt: Das Getümmel und die Dichte der Dingwelt sind Genazinos Sache nicht. Wenn er am Main spaziert, geht er oben unter den Platanen, wo es schön ruhig und leer ist, und nicht unten am Ufer wie alle anderen: „Menschen wollen Teil des allgemeinen Getümmels sein.“ Manchmal begegnet er Nordic Walkern, er nennt sie „Freizeitsoldaten“: Menschen, die mit Stöcken gegen die Einrostung marschieren. Und er konstatiert: „Das Gerätewesen nimmt überhand.“

Deswegen hat er auch keinen Computer, er möchte nicht an ein Gerät angeschlossen sein – das analoge Leben und Arbeiten, „entschleunigt durch die natürliche Langsamkeit“, geht so seinen ruhigen Gang. Kleine Zettel sind die Bausteine für Wilhelm Genazinos Romane – auf ihnen hält er alles fest, was er beobachtet, was er liest oder was ins Buch soll. Die Notizen auf den Zetteln überträgt er dann mit einer mechanischen Schreibmaschine in sein Manuskript. Wenn die Tasten klappern, fühlt er sich wie ein Specht, der etwas zu hacken hat. Die Zettel wandern anschließend in große Leitz-Ordner – jüngst hat das Literaturarchiv Marbach 30 davon als Vorlass abgeholt.

In Wilhelm Genazinos Wohnung stehen drei Schreibtische: der erste für das im Werk befindliche Buch, der zweite für Essays und andere Arbeiten und der dritte als Experimentalschreibtisch, den er „Luftschloss“ nennt: Hier liegen Notizen, Mappen und Zettel, aus denen vielleicht etwas wird oder eben auch nicht, oder später einmal. Er schreibt jeden Tag, auch am Sonntag – da besonders gern -, „wenn die restliche Welt schweigt“.

Wenn er etwas nachschlagen muss, tut er dies in einem seiner zahlreichen Lexika, denn „was ich dort nicht finde, kann ich auch dem Leser nicht zumuten“. Neben den Lexika hat er unzählige Bücher, wirr sortiert, die Lieblingsautoren in Komplexen zusammengestellt: Virginia Woolf, Joseph Conrad, Harold Pinter, Fjodor Dostojewski, Anton Tschechow, Adalbert Stifter, Katherine Mansfield, Wolfgang Hildesheimer, Heinrich Böll. Früher hat er sich Monat für Monat über sämtliche Neuerscheinungen informiert, aber das ist heute aufgrund der Flut an neuen Büchern gar nicht mehr möglich. In Buchhandlungen und Antiquariaten, vor allem aber in Zeitungsrezensionen findet Wilhelm Genazino die Bücher, die ihn interessieren. Jüngst hat er die frisch erschienenen literarischen Skizzen von Felix Hartlaub „Aus Hitlers Berlin – 1934 bis 1938“ für sich entdeckt.

Und was hat es nun mit der „Gesamtmerkwürdigkeit des Lebens“ auf sich? Das ist einer der so wunderbar von Wilhelm Genazino ersonnenen Begriffe, wie die allgemeine Lebensersparnis, die Hyperwirklichkeit, Gedächtniskunst, Verflusung, die öffentliche Belanglosigkeit, eine Weltvertrauensstelle oder die Liebesverblödung. Die „Gesamtmerkwürdigkeit des Lebens“ ist vielleicht sogar der Schlüsselbegriff zum Kosmos seiner Romanhelden, denn „unter ihr kann man alles subsumieren und man hört auf, sich zu wundern – es ist tolerabel“. Claus-Ulrich Bielefeld nannte ihn jüngst in der Welt den hessischen Woody Allen, weil man die Bücher von Wilhelm Genazino ebenso lese, wie man die Filme des New Yorker Regisseurs anschaue: „Man hofft nicht auf die große epische Schilderung, sondern wartet auf die kurzen Momente, da die alltäglichen Dinge zu schillern beginnen.“ Und das tun sie bei Wilhelm Genazino.

von Silke Hartmann (14.10.2014)

Ein Buch, das ich immer wieder aufschlage

Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne: Zwölf Vorlesungen, Suhrkamp Verlag, 1985

Buchtipp von Wilhelm Genazino

„Eine wunderbare Einführung in die Moderne, in die Theorie und in die Literatur. Man kann sogar auf den Gedanken kommen, dass die Literatur aus der Moderne hervorgegangen ist, aus einer halbtheoretischen Literatur. Ich nenne hier Friedrich Wilhelm Nietzsche, Siegfried Kracauer, Walter Benjamin. Literatur war immer auch von theoretischen Impulsen angestoßen.“