Die emotionale Seite des Buches
Schöne Bücher. Bessere E-Books. Und Buchhandlungen mit Profil. Katharina Hesse hat viele Missionen. Dahinter verbirgt sich die Liebe zum Buch, die Hesse seit ihrer Ausbildung als Buchhändlerin in verschiedensten Rollen und Funktionen auslebt. Zurzeit als Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst.
In einem Interview haben Sie einmal gesagt: „Es fällt mir schwer, mich in einem Raum ohne Bücher wohlzufühlen“. Eine Welt, in der es nur noch E-Books gibt, wäre für Sie dann wohl ein ziemlicher Horror?
In der Tat wäre eine solche Welt keine schöne Vorstellung. Büro- oder Wohnräume ohne Papier finde ich kalt und langweilig. Wenn ich Leute besuche, schaue ich mir auch immer zuerst das Bücherregal an. Es erzählt ganz viel über die Personen, die dort wohnen.
Wie sieht Ihr Zuhause aus? Überall Bücher?
So ungefähr. Die Bücher sind im ganzen Haus verteilt. Im Wohnbereich stehen die Bücher, die mir besonders gut gefallen – inhaltlich wie optisch.
Womit wir beim ersten Thema wären: Was ist für Sie ein schönes Buch?
Eines, das sich gut anfühlt. Im Moment mag ich gerne weiche Bücher, die nicht wie ein Brett in der Hand liegen. Die Farbgebung ist für mich interessant, das Papier muss angenehm sein. Die Gestaltung muss dem Inhalt dienen, den Leser oder Betrachter durch das Buch führen.
Warum ist es überhaupt wichtig, dass ein Buch „schön“ ist? Der Text ist doch immer gleich, egal wie das Buch gestaltet ist.
Der Text ist eben nicht immer der gleiche! Man müsste mal so eine Art Gefühlsbarometer aufstellen. Auf der einen Seite liest jemand ein schlecht gemachtes E-Book auf einem schlechten Lesegerät. Und auf der anderen Seite liest jemand ein schön gesetztes Hardcover, mit tollem Einband und angenehmem, holzfreiem Papier. Ich wette, dass er bei Letzterem mehr Freude beim Lesen hat. Hier geht es um Emotionen, nicht nur um das Aufnehmen von Inhalt!
Die Stiftung Buchkunst zeichnet jedes Jahr 25 schöne Bücher aus, von denen eines im September dann noch einmal zum allerschönsten gekürt wird. Sie haben eben Ihre subjektiven Kriterien für ein schönes Buch genannt. Gibt es auch objektive?
Wir haben selbstverständlich einen genauen Kriterienkatalog, gerade in Bezug auf die handwerkliche Qualität, also hinsichtlich Druck und Buchbindung. Es entscheidet auch nicht ein Einzelner mit seinem persönlichen Geschmack, sondern das ist eine mehrstufige Entscheidung von insgesamt drei verschiedenen Jurys.
Werden in der Regel teure Liebhaberstücke prämiert, die in Kleinstauflagen einem exklusiven Käuferkreis angeboten werden?
Nein, gar nicht. Uns ist wichtig, dass Bücher ausgezeichnet werden, die man im Handel finden kann und die dort eine Relevanz haben. Vor zwei Jahren wurde beispielsweise „Der Hals der Giraffe“ von Judith Schalansky ausgezeichnet. Ein Buch, das ja sogar kurzzeitig auf den Bestsellerlisten zu finden war. Das freut uns natürlich. Allerdings weniger wegen dem Verkauf des Buches an sich, als wegen dem, was damit verbunden ist. Unser Ziel ist, dass möglichst viel über gut gestaltete und gut gemachte Bücher berichtet wird.
Stichwort: „gut gemachte Bücher“. Sie haben vor zwei Jahren einen E-Book-Verlag mitgegründet. War das der Versuch, diesen Anspruch auf elektronische Bücher zu übertragen?
Ich finde, es gibt nach wie vor wenig gut gemachte E-Books. Meine Fragestellung war: Wie schafft man es, diesem Medium Emotionalität einzuhauchen? Denn die fehlt dem E-Book. Wir wollten E-Books machen, die die Leser erfreuen, bereichern. Aber das ist gar nicht so einfach.
In dem Verlag werden sogenannte enhanced E-Books gemacht, also „verbesserte E-Books“. Konkret handelt es sich um multimediale Bücher, die mehr bieten als Text?
Genau. Und ein herkömmliches Buch kann man ja nicht so leicht verbessern. Das kann man nicht so einfach umwandeln und dann noch ein paar Filmchen dazustellen. Man muss da komplett umdenken und von vorneherein irgendwas zwischen einem Printprodukt und einer Homepage machen. Nur jene enhanced E-Books werden eine Chance haben, die genau so gedacht und konzipiert sind.
Teilen Sie den Pessimismus und die Angst in Teilen der Branche, die mit dem E-Book einhergeht?
Ein elektronisches Buch ist ja auch ein Buch. Wenn ich vom Buch rede, meine ich ja vor allem das, was da drinsteht – und nicht die Verpackung. Und das sage ich selbst als Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, für die die Verpackung natürlich ganz besonders wichtig ist. Aber für einen Verlag muss ja egal sein, über welchen Kanal er seine Bücher verkauft. Hauptsache er verkauft seine Bücher. Für den Buchhandel stellt sich die Frage natürlich ganz anders.
Sie haben selbst als Buchhändlerin angefangen und zehn Jahre in der Aus- und Fortbildung von Buchhändlern gearbeitet. Was muss sich hier noch ändern, um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können?
Ich glaube, nur die Buchhandlungen haben eine Chance, die sich auf ihre Kompetenz besinnen – und nicht einfach alles in den Laden knallen, was der Markt hergibt. Ich kann nicht auf hundert Quadratmetern anbieten, was Amazon oder auch ein großer Filialist anbietet. Das funktioniert nicht! Ich brauche also ein ganz geschärftes Profil.
Gibt es solche Läden hier in Frankfurt?
Buchhandlungen mit Profil gibt es hier sicherlich. Vereinzelt. Aber die Läden, die ich gerade vor Augen habe, kenne ich eher aus Hamburg und Berlin. Das sind Läden, die wie Bilderrahmen sind. In denen werden vielleicht zwanzig Bücher präsentiert. Das sind die Bücher, die der Buchhändler wichtig und verkaufenswert findet. Darauf konzentriert er sich. Und diese Läden funktionieren!
Noch einmal zurück zur Ausbildung. Wir haben ja hier in Frankfurt die Buchhändlerschule bzw. den Mediacampus. Muss sich dort nicht auch einiges ändern?
Dieser Veränderungsprozess ist doch längst eingeläutet. Früher hatte die Buchhändlerschule mal den Ruf, eine elitäre Enklave zu sein, die viel Wert auf hohe Literatur legt und mit dem „Kommerz“ nichts zu tun haben will. Das hat sich grundlegend geändert. Heute wird dort schon auch gelehrt, wie man ein Buch verkauft und dass es nicht reicht, mit gesenktem Kopf am Regal zu stehen und die Bücher einzusortieren.
Und der Buchhändler muss die besseren Tipps haben. Besser als zum Beispiel die Tipps von Amazon, nach dem Prinzip „Kunden, die das Buch gekauft haben, haben auch jenes gekauft“.
Ja, genau. Der Buchhändler muss die bessere Metadatenbank sein. Und dafür ist sowohl ein profundes Buchwissen gefragt als auch eine gute Menschenkenntnis.
von Martin Schmitz-Kuhl (05.06.2014)