Von Influencern, BookTubern und Nervensägen
Das Buch wurde vom Bildschirm abgehängt – sagt ausgerechnet ein PR-Manager der Frankfurter Buchmesse. Außerdem findet Frank Krings, dass Autoren manchmal ziemlich nerven können und dass die Buchbranche zuweilen ganz schön langweilig harmonisch ist. Das klingt nach Gesprächsbedarf...
Bei Bookster Frankfurt stellen wir Menschen vor, die nicht nur in der Buchbranche arbeiten, sondern auch eine Leidenschaft für das Buch teilen. Ist das bei Ihnen überhaupt der Fall?
Ich habe eine Leidenschaft für Medien und ich lese sehr viel. Aber das Buch steht für mich gleichberechtigt neben anderen Medien, die ich genauso konsumiere. Ich gehöre also nicht zu den Menschen, die aus dem Buch einen Fetisch machen und es über alle anderen Medien stellen.
Wäre das nicht eigentlich Ihr Job – als PR-Manager der Frankfurter Buchmesse?
Nein, gar nicht. Wenn man über Bücher redet, muss man vor allem über Inhalte reden. Wäre die Frankfurter Buchmesse nicht eine so starke, über die Jahrhunderte eingeführte Marke, müsste man sie heute konsequenterweise in die „Messe der Inhalte“ umbenennen. Denn das sind wir längst. Früher waren Papier und das gedruckte Buch Trägermedium Nummer eins für Inhalte. Heute ist es der Screen: Laptop, Smartphone, E-Reader, Tablet…
Das heißt, das klassische Buch bekommt nicht nur Konkurrenz durch das E-Book, sondern auch durch andere Medien und Medientypen?
Genau. Immer mehr verschiedene Medien buhlen um die Aufmerksamkeit der Leute. Aber das muss nicht schlecht sein. Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft. Und wenn digitale Inhalte schnelllebiger werden – Nachrichten als Push-Mitteilungen fürs Smartphone oder 140-Zeichen-Tweets –, dann wächst auch wieder das Bedürfnis nach längeren Texten. Von daher ist mir um die Zukunft des gedruckten oder digitalen Buches als Träger für langlebige, komplexe Inhalte gar nicht bange.
Zumal es ja auch in der digitalen Welt Menschen gibt, die durchaus eine große Leidenschaft zum Buch haben – die Rede ist von all den Buchbloggern, für die Sie ja bei der Buchmesse zuständig sind.
Ich bin bei der Buchmesse für Public Relations inklusive Social Media zuständig. Blogs sind da ein Medium von vielen. Denn die Inhalte im Internet verändern sich so rasend schnell, dass zum Beispiel viele junge Leute mit einem klassischen Blog nichts mehr anfangen können. Deshalb sprechen wir auch lieber von Multiplikatoren oder Influencern als von Bloggern. Es geht darum, welche Leute für welche Themen einen Expertenstatus und eine gewisse Reichweite haben. Egal ob es sich um BookTuber, Pinterester, Instagramer oder um Twitterer handelt. Siehe Stephan Porombka, der meines Wissens gar nicht im klassischen Sinne „bloggt“. Seine Tweets haben jedoch eine solche Kreativität und Durchschlagskraft, dass ich ihn nur wegen seines Twitter-Accounts sofort akkreditieren würde.
Wenn man mal von Stephan Porombka und einigen anderen Ausnahmen absieht, wird häufig die Qualität der Beiträge im Netz bemängelt – auch im Vergleich zum Feuilleton, das sich ja durch die Konkurrenz im Netz durchaus bedroht sieht. Gerade ist die Diskussion darüber noch einmal aufgeploppt – anlässlich der „Buchbesprechungen“ der BookTuberin Sara Bow, die über sich selbst mal gesagt haben soll: „Beim ,Literarischen Quartett' hatten sie Ahnung. Ich habe meine Fans und meinen Umsatz.“
Ach, diese Diskussion, ob Blogs im Vergleich zum „richtigen Journalismus“ keine Qualität haben, ist doch längst durch. Es gibt literarische Blogs von hoher journalistischer Qualität. Und es gibt eher affirmative Fan-Blogs ohne journalistischen Anspruch. Wobei ich das gar nicht werten will. Aus meiner PR-Perspektive zählt vor allem, dass Literaturblogs viele regelmäßige Leser haben.
Gut bezahlte und gut ausgebildete Fachleute werden durch unbezahlte Laien ersetzt. Kann man das nur beklatschen?
„Ersetzt werden“ klingt so, als würden Blogger den Journalisten etwas wegnehmen. Aber Blogger sind nicht dafür verantwortlich, dass Zeitungen in der Krise stecken und es dort immer weniger Buchrezensionen gibt. Außerdem: Die 16-Jährige, die heute Blog-Beiträge über Fantasy-Romane liest, hätte früher auch nicht täglich das Feuilleton der ZEIT studiert.
Besetzen diese Blogs auch die – offenbar sehr großen – Nischen, die vom klassischen Feuilleton nicht beachtet werden?
Auf jeden Fall. Da ist zum einen der ganze Bereich Selfpublishing. Und thematisch sind Blogs besonders in Nischen wie Fantasy, Paranormal Romance und überhaupt in der ganzen Unterhaltungsliteratur sehr einflussreich. Ganz ehrlich: Ich finde diese Entwicklung sehr, sehr gut. Dass es eben nicht nur einzelne Gatekeeper gibt, die den Leuten sagen, was sie zu lesen haben. Sondern dass Leser und Fans sich auch selbst über Lesenswertes informieren. Heute ist dank Social Media quasi jeder Kritiker. Bücher, die gefallen, werden auf Facebook oder auf Plattformen wie LovelyBooks oder Goodreads gefeiert. Und das kann einen großen Einfluss auf den Erfolg haben.
Einen größeren Einfluss als eine gute Rezension im Feuilleton?
Das kann man so nicht sagen. Originelle Buchrezensionen und wichtige Feuilleton-Debatten werden schließlich auch über Social Media geteilt, geliked, kommentiert und in Blogs zitiert. Beides ergänzt sich also ganz wunderbar.
Wir haben jetzt die ganze Zeit über Leser und Buchrezensenten gesprochen, aber wie sieht es denn mit den Social-Media-Aktivitäten der Autoren aus?
Mir fallen besonders die Extreme auf: Nervensägen versus Social Media Stars. Nervensägen haben zum Beispiel nicht ihr eigenes Gesicht als persönliches Profilbild, sondern den Titel ihres Buches. Und dann twittern sie ausschließlich über ihr Buch, inklusive Kauflink zum Amazon-Shop. Das Thema Selbstvermarktung wird so auf eine plumpe Art und Weise umgesetzt. Dass es auch anders geht, zeigt unter anderem Sybille Berg. Die ist auf Twitter total schräg und großartig. Eben persönlich statt marktschreierisch. Und wer ihre Tweets mag, ist auch eher geneigt, ein Buch von ihr zu kaufen.
Gibt es sonst noch etwas, worauf man achten sollte? Oder worauf Sie selbst im Netz achten?
Ich persönlich frage mich immer erst, ob das, was ich gleich poste, überhaupt von Belang für die Follower im jeweiligen Kanal ist. Klappt nicht immer, aber Oversharing ist mir unangenehm. Darüber hinaus fällt mir auf, dass es in der Buchbranche doch sehr harmonisch zugeht. In anderen Branchen – sei es Sport oder IT – sind Netz-Diskussionen viel härter. Daher wundere ich mich manchmal, wie viele hier mit dieser „Wir haben uns alle lieb“-Haltung durchkommen. Aber es gibt weiß Gott Schlimmeres (lacht.)
von Martin Schmitz-Kuhl (29.09.2015)